Dienstag, 15. Mai 2018

Angepasst an Schule und Beruf - im Ernst? (Privates 1)





Ich feiere die Freiheit, die Unabhängigkeit von dem was "normal" zu sein hat.
Ich feiere das Leben mit all seinen Unbilden. Ich feiere den Mut NEIN zu sagen. 

Seit gut 4 Jahren ist das Thema Schule unser Familiäres Thema.
Anfangs ein echtes Problem und Streitthema, denn ich hatte eine komplett andere Vorstellung von einer Schule, als meine Frau und unser Freund und Papa von Shaya. Mittlerweile ist es viel besser, aber ich als Anti-Schulstress Mutter würde es am liebsten sehen, wenn wir z.B. Hausaufgaben ganz streichen.

Am Anfang stand ich alleine mit meiner klar differenzierten Abneigung was Schule betrifft. Britta war mit Bernie einer Meinung und so musste ich mich als dritte im Bunde und in der Minderheiten Position notgedrungen fügen.
Damals dachte meine Frau noch, dass ein Kind zur Schule gehen muss, das es normal ist sich einem System unterzuordnen, das Leistungsdruck in gewisser Hinsicht dazu gehört und das Anpassung wichtig ist, vorallem für später wenn es einen Beruf lernt.

Damals, das ist nun 4 Jahre her. Shaya ist ein Kannkind und wurde dementsprechend mit 6 dreiviertel in eine ganz normale hessische Regelschule eingeschult.
Weil das ja ganz nah zum Wohnort war und weil ihre KiGa Freunde (mit denen sie gar nicht befreundet war) auch in die gleiche Schule gehen.
Ein Stück weit hatten wir alle die Hoffnung, dass sich deshalb eine Freundschaft entwickelt. Aber Shaya ist anders als andere Kinder. Sie schließt nicht so leicht Freundschaften und ihre Interessen lagen schon damals weit über dem Durchschnitt, zu dem womit sich andere gleichaltrige Kinder beschäftigen.

Die Schule wurde zum Stressfaktor unserer Familie.
Und Shaya entwickelte Psychosomatische Befindlichkeitsreaktionen. Bauchschmerzen war 2 Jahre ihr Begleiter, gepaart mit Weinattaken und morgendlicher Übelkeit.
Nach fast einem Jahr hatte ich die Nase voll. Britta war mittlerweile auch nur noch genervt, denn die Hausaufgaben zogen sich einen ganzen Nachmittag hin, der durch Weinpausen und Wutgebrüll durchzogen war. Shaya war total überfordert und unterfordert. Ihre Interessen liegen in Natur und Wissenschaft und nicht Deutsch und Mathe.
In der ersten und zweiten Klasse der Regelschule stehen aber Mathe und Deutsch an erster Stelle, dann noch Religion und Sport.

Dann stand eine große Veränderung in unserer Familie an - alles veränderte sich. Britta wurde aus gesundheitlichen Gründen Zwangspensioniert. Unser Haus war noch nicht abbezahlt und so mussten wir umziehen und Privatinsolvenz beantragen.

Britta wollte auf keinen Fall in Hessen bleiben, sie wollte komplett neu anfangen und damit stieß sie bei mir auf offene Augen und Ohren. Ich wollte schon immer aus Hessen weg. Ich bin dort geboren und ich habe die schlimmste Zeit die ein Kind nur haben kann, dort erlebt. Die Enge, die Spießigkeit und die politische Lage gefiel mir schon lange nicht mehr. Ich wollte ans Meer seit dem ich das Meer das erste mal mit 12 gesehen hatte.

Freunde von uns leben an der Nordsee und so konnten sie uns hier ein Haus zur Miete vermitteln und so kam es das wir samt einen Großteil unserer Tiere her hier zogen - für uns fast ans Ende der Welt.
Der Umzug war unglaublich Kräfte zehrend und noch heute sind wir dabei uns hier einzurichten, auch wenn mittlerweile 2 Jahre vergangen sind, so richtig erholt haben wir uns noch nicht.

Dieser Umzug hat vieles verändert, doch die größte Veränderung war Shayas Wechsel von der Regelschule in die Waldorfschule. Für Shaya war das die Beste Entscheidung die wir hätten fällen können, denn unsere Tochter blühte auf. Mittlerweile ist sie ein Selbstbewusstes junges Mädchen, das genau weiß was sie will.

Noch immer hat sie Probleme Freundschaften zu führen. Aber Kinder wollen sich mit ihr treffen, sie wird eingeladen und dadurch das die Schule eine Teil-Ganztagsschule ist, verbringt sie viel Zeit mit ihren Klassenkameraden. Sie ist voll integriert und sie liebt ihre Lehrerin.

Hausaufgaben sind immer noch ein großes Thema und wir haben uns geeinigt, dass Shaya alleine entscheidet ob und wie sie ihre Hausaufgaben macht. Für Britta die in einem ganz normalen gesellschaftsangepassten Zuhause aufgewachsen ist, ist das nicht einfach, Shaya einfach so zu lassen.

Ich würde es drauf ankommen lassen, wenn unsere Tochter sich entscheidet keine Hausaufgaben mehr zu machen. Aber noch tut es es (oft aber nicht immer), weil sie nicht ganz so sehr auffallen will. Und wenn sie sich dagegen entscheidet bekommt sie von uns eine Entschuldigung.

Wenn wir am Wochenende was vorhaben, fällen die Hausaufgaben einfach aus. Diese Lösung habe ich vorgeschlagen um weiteren Schulstress zu vermeiden und so langsam wird es Routine, dass wir am Wochenende gemeinsam etwas unternehmen, ohne das Hausaufgaben die Freude verderben.

Wie steh ich zu all dem:

NEIN zum uniformiertem Denken!

Unser Schulsystem müsste vollständig Reformiert werden, doch unsere Gesellschaft ist noch nicht soweit, um Kindern die Möglichkeit und die nötige Freiheit zu geben, ihre Individualität selbst und durch Vorbilder zu finden. Noch herrschen Preußische Zustände. Es gilt ein Kind so zu formen, dass es sich einem Gesellschaftsbild durch Leistung und Gehorsam anpasst.
Leistung wird durch Prüfbarem Wissensstand und durch Noten definiert. Gehorsam definiert sich durch regelmässiges Erscheinen, erzwungener Aufmerksamkeit und guten Betragen.
Das Schulische Vorbild ist die durch Strenge hervorgehobene Lehrkraft die den Stoff vorgibt und von den Schülern Respekt und Anpassung, statt Kritikfähigkeit und Hinterfragung erwartet.

In unserem Schulsystem ist das Kind das ausführende Organ. Kritisiert oder wiedersetzt es sich dem Schulsystem hat es eine Strafe zu erwarten.
Das kann von schlechten Noten bis zum Schulausschluss führen. Die nachfolgenden Konzequenzen durch die Eltern, das Jugendamt und gegenbenenfalls dem Gericht würden hier in dem ohnehin schon sehr langen Text den Rahmen sprengen.
Man spricht hier von Pflichtverletzungen die Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen.

Kinder werden also extrem unter Zwang gesetzt, wenn sie sich nicht an ein bestehendes System anpassen. Dieser Zwang kann Psychosomatische Erkrankungen nach sich ziehen. Die leider oft von den Eltern ignoriert werden. 

Anpassung über alles - im Ernst?


Ich höre oft: "Ja aber sie muss sich auch später im Beruf anpassen."

Und ich frage mich: Warum sollte sie?
Klar es mag schwieriger sein, Berufe oder Arbeitsstellen zu wechseln, wenn man merkt, es ist nicht das Richtige. Aber ich bin sowieso dafür das man sich in unterschiedlichen Bereichen umschaut, bevor man sich für eine entscheidet. Es gibt genug Möglichkeiten sich auszuprobieren. Das freiwillige Soziale Jahr, für all diejenigen die sich sozial engagieren wollen.
Man kann durch Praktikas in unterschiedliche Berufe hineinschnuppern.
Alles ist möglich, man kann sogar auch später noch einen Schulabschluss nachholen, um z.B. zu studieren.

Ein junger Mensch muss sich nicht sofort für einen Beruf entscheiden in dem er dann ein Lebenlang bleibt.

Die Frage ist doch vielmehr, was ist wichtig im Leben.

Wir alle sehnen uns nach Zufriedenheit. Wir sehnen uns nach Liebe und Geborgenheit.

Ein Arbeit kann zufrieden machen, wenn das Umfeld stimmt.
Und das Umfeld stimmt nur, wenn man mit sich selbst im Reinen ist. Wenn man genau weiß was man will, wenn es möglich ist kritisch zu bleiben und man die Dinge hinterfragen darf.

Ein Beruf ist nur dann zufriedenstellend, wenn ein familiäres Umfeld geschaffen ist, indem es keine Machthaber gibt und keine Untergebenen. Natürlich werden jetzt einige sagen:

"Das gibt es nicht!"

Ja vielleicht gibt es das NOCH nicht. Aber wenn unsere Kinder in einem freien System aufwachsen, dann haben sie die Besten Vorraussetzungen dorthin zu gelangen.

Und dazu muss unser Schulsystem reformiert werden.
Zufriedene und fair aufwachsene Kinder, werden zufriedene und faire Arbeitgeber -  werden zu zufriedene und faire Arbeitnehmer.

David Precht fragte in einem Talkrunde: "Wir sollten uns fragen, wie sollte die Schule in 10 Jahren aussehen?" 

Ich verlinke euch auch dieses Interwiev am Ende des Textes.

Ich möchte genau auf diese Frage Stellung beziehen.

Wir müssen eine Schulreform schaffen, die unseren Kindern ermöglicht die eigene Individualität zu finden. Wir müssen eine Reform schaffen, die es möglich macht, dass jeder einzelne individuell betrachtet wird.

Die Waldorfschule ist hierzu ein guter Anlaufpunkt, hier gibt es keine Noten sondern ausführliche jährlichen Berichte die den Eltern einen Einblick in die Entwicklung des Kindes geben.  In ihnen werden sowohl die verschiedenen Unterrichtsinhalte als auch die Entwicklungsschritte des Schülers individuell beschrieben. Die Lehrer müssen am Ende des Schuljahres das Kind individuell betrachten.

Ich habe noch nie zuvor so ein gut geschriebenes Zeugnis gesehen. Shaya wurde darin nicht bewertet, sondern nur gesehen - erkannt.
Ich hatte das Gefühl hier hat sich wirklich jemand die Mühe gemacht meine Tochter zu sehen, mit allem was sie als junger Mensch an Begabungen und individuellen Interessen zur Verfügung stellt und genau das fehlt an den Regelschulen.

Interessen und Begabungen müssen vor Leistungsinhalten liegen. Die Individualität muss beachtet und anerkannt werden. Nur so können Begabungen wirklich gefördert werden.
Der Schüler lernt sich selbst erst dadurch kennen, dass er den Unterricht mitgestalten darf.

Natürlich ist die Waldorfschule noch nicht das Non Plus Ultra, dazu ist auch sie zu sehr eingefahren und an den allgemeinen Leistungsdruck gebunden. Aber sie gibt zumindest gute Ideen für eine Schulreform vor.

Ob und wann die Ältesten in unserer Politik so weit sind, dem endlich nachzugehen, wird sich zeigen. Aber wichtiger sind wir Eltern die dafür sorgen können, den Leistungsdruck unserer Kinder zu mindern und uns für ihre Zufriedenheit einzusetzen.

Nur wir Eltern  haben die Möglichkeiten und die Macht uns vor unsere Kinder zu stellen, ihnen den Rücken zu stärken und bewusst zu machen:

An uns kommt ihr nicht vorbei!

Wir halten zu unseren Kindern!

Wenn wir das schaffen, dann haben wir die Weichen gestellt für ein anderes Bildungssystem.

Vielleicht nicht jetzt - aber irgendwann. Und dann werden es unsere Kinder einfacher haben, sich für unsere Enkel einzusetzen. Denn dann haben sie bereits Erfahrungen in Zufriedenheit gemacht.

Das wünsche ich mir für meine Tochter und ihre Kinder und die Kinder ihrer Kinder.

Ich bin Vorkämpfer.

Sie ist diejenige die den Rest erledigen wird. Davon bin ich überzeugt.

Meine Tochter hat übrigens letztens einen Berufsgedanken geäussert.

Sie möchte mit Kindern arbeiten, vielleicht Erzieherin werden oder Waldorflehrerin.

Auch wenn ich das Schulsystem hasse. Ich habe mich gefreut, für die Kinder die vielleicht eines Tages Shaya zur Lehrerin haben... ich weiß sie geht ihren beruflichen Weg. Egal wohin - in Zufriedenheit.






Interview zum Buch "Ich geh aber nicht zum Wandern":



Interview mit David Precht:
"Der Verrat des Schulsystems an unseren Kindern"



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